Säulen
Bernd Zissemer
Milliardär Kretinsky – ein schwacher Hoffnungsschimmer für ThyssenKrupp
Der Einstieg des tschechischen Milliardärs Daniil Kretinsky beflügelt die Thyssenkrupp-Aktie. Aber es gibt keinen Grund zur Freude
Der benutzerdefinierte Bericht bestand nur aus fünf spärlichen Zeilen und wichtige Details fehlten. Das reichte jedoch aus, um den Kurs der Thyssenkrupp-Aktie am Ende der Woche deutlich nach oben zu treiben. Nach monatelangen Verhandlungen ist nun der tschechische Milliardär Daniel Kretinski in die angeschlagene Stahlsparte des Traditionsunternehmens eingestiegen. Allerdings wird der Kaufpreis bei einer nur geringen Beteiligung von 20 Prozent und für scheinbar wenig Geld schändlicherweise verschwiegen.
Für einen Lichtblick bei den Anlegern sorgt erneut das noch einzulösende Zukunftsversprechen: Beide Seiten „sprechen“, heißt es in der dedizierten Mitteilung, über eine Aufstockung des Anteils auf 50 Prozent. Erst dann kann man wirklich von der „strategischen Partnerschaft“ sprechen, die ThyssenKrupp bereits vorzeitig angekündigt hat.
Die Thyssenkrupp-Aktie entwickelt sich langfristig schlecht
Wer sich über den Kursanstieg freut, sollte einen Blick auf die Langzeitcharts der Aktie werfen: Allein in den letzten sechs Monaten hat sie ein Viertel ihres Wertes verloren, über einen Zeitraum von fünf Jahren sogar mehr als 60 Prozent. Wer jetzt auf eine Trendwende setzt, müsste sehr mutig, vielleicht sogar leichtsinnig sein. Auch Kretinsky scheint zu warten, bevor er das Boot betritt. Seit mehreren Monaten ist von einer sofortigen 50-Prozent-Beteiligung die Rede, zu der es bisher nicht gekommen ist. Man kann diese Zurückhaltung verstehen: Bisher gibt es keine Informationen darüber, wie Thyssenkrupp den geplanten Abbau von Stahl- und Personalkapazitäten organisieren will.
Angesichts des starken Widerstands der Betriebsräte werden optimale wirtschaftliche Lösungen wie die sinnvolle Schließung des gesamten Standorts im Süden Duisburgs nur sehr schwer umsetzbar sein. Die IG Metall steht dem neuen tschechischen Großaktionär sehr skeptisch gegenüber. Eine tatsächliche Kapitalzuführung ist nicht zu erwarten. Strategisch allein trägt sie das kühne Versprechen in sich, eine zukünftige Wasserstoffstrategie („grüner Stahl“) mit günstigem Strom zu unterstützen. Kretinsky weiß nichts über Stahl selbst.
Kommt es schließlich zu einer 50:50-Partnerschaft in neuer Rechtsform für die Stahlsparte, kann Thyssenkrupp den größten Problemposten aus der Bilanz streichen. Dies würde den Mutterkonzern jedoch nur teilweise entlasten. Um die Stahlsparte unabhängig zu machen, müssen zunächst einige Milliarden Euro hinzukommen. So oder so steht ThyssenKrupp noch immer vor einer langen Durststrecke. Es gibt kaum noch freies Geld im Unternehmen. Der Notverkauf seiner hochprofitablen Aufzugssparte im Wert von 17 Milliarden Euro wurde in nur drei Jahren fast vollständig ausgeschöpft.
Positiv zu vermerken ist: Jetzt geht es zumindest voran. Unter der ehemaligen Geschäftsführerin Martina Merz gab es viele Pläne, aber nur wenige Taten. Viele Anzeigen waren nichts weiter als süße Träume. Ihr Nachfolger, Miguel Lopez, scheint aus einem anderen Holz geschnitzt zu sein. Der in Spanien geborene Mann erkannte, dass für ausgefeilte Strategiespiele keine Zeit mehr da war, sondern nur noch der Zwang, schnell und brutal zu handeln. Am besten lässt sich seine Situation mit einem alten Sprichwort beschreiben, das Lopez wahrscheinlich noch aus seiner Studienzeit in Mannheim kennt: „Du hast keine Chance, aber ergreife sie.“